Mittwoch, 28. Januar 2009

Tina Turner in Concert

aus Zeitmangel lasse ich mal wieder andere für mich sprechen :-) Bei Click aufs Bild gibt's ein paar youtube Videos und auch wenn die Stimmung da nur spärlich rüberkommt - es war grandios!

Tina Turner: Die Comeback-Königin

Einfach die Beste: Mit Tina Turner triumphiert in der Berliner O2-World der Feminismus - exakt 90 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland. Ihr Lebensweg beweist, dass es sich lohnt, zu kämpfen.
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Säulenheilige der Sünde. Tina Turner (69) ist nach acht Jahren erstmals wieder auf Tour. Foto: Michael Gottschalk/ddp
Was die Liebe damit zu tun hat: alles. „Ich glaube, dass heute Abend viele Frauen hier sind“, sagt Tina Turner, als sie ihren Selbstbehauptungs-Hymne „What’s Love Got to do with it“ gesungen hat. „Wie viele Frauen sind da?“ 12 000 Zuschauer füllen die Halle und 7000 oder 8000 von ihnen jubeln, kreischen, schreien jetzt. „Ich brauche ein bisschen weibliche Unterstützung“, freut sich die Sängerin und lässt ihre Anhängerinnen den Refrain intonieren. „Ooohoho, What’s Love Got to do with it“. Ohrenbetäubend. Das Ergebnis: „super“. Anschließend müssen die anwesenden Männer singen. Ihre Leistung: bloß „good“. Am Montagabend, exakt 90 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland, triumphiert in der nahezu ausverkauften Berliner O2-World der Feminismus. „What’s Love Got to do with it“ fasst wesentliche Erkenntnisse aus Tina Turners Leben in drei Strophen und einem halb aufbrausend, halb resignativ gefauchtem Refrain zusammen. Die Liebe, dieses „Second Hand-Gefühl“, sollte man manchmal besser meiden, weil ein Herz schnell gebrochen ist. Der Song gab einem Spielfilm den Titel, der auf Turners Autobiografie „Ich, Tina“ beruhte. Der Mann, der das Herz der Sängerin gebrochen hatte, war ihr Gatte Ike Turner, ein Soul-Genie und leider auch Drogen-Junkie. Er machte sie zum Weltstar und missbrauchte sie dabei körperlich und seelisch. Als der Film 1992 in die Kinos kam, hatte die Pop-Diva bereits ihren Abschied von der Bühne verkündet. Mit dem Soundtrack ging sie dann doch wieder auf Tournee. Tina Turners Karriere ist, zugespitzt formuliert, ein einziges Comeback. Ihre ersten Soloplatten nach der Trennung von Ike waren kommerziell ein Desaster, erst der Manager Roger Davies, der auch den Weg für die Soloerfolge von Cher und Janet Jackson bahnte, brachte sie in die Hitparaden zurück. Der Preis dafür waren die schlimmen Achtziger-Jahre-Poparrangements, mit denen ihre Songs übergossen wurden: Kuschelrockgitarren, Smooth-Jazz-Saxofonsoli oder – wie bei „What’s Love Got to do with it“ – Synthesizer, die wie Panflöten klingen. Hinfallen, aufstehen, wieder hinfallen, wieder aufstehen. Und weitertanzen. Tina Turners Lebensweg beweist, dass es sich lohnt, zu kämpfen. Im November wird sie 70, aber um bei dieser Comeback-Tour für volle Hallen zu sorgen, reichte es aus, ihre Silhouette zu plakatierend, die sie löwenmähnig in Stöckelschuhen tanzend zeigt. Dabei ist es fünf Jahre her, seit ihr letztes Album, eine Best-of-Compilation, herauskam. Aber Turner tingelt nicht. Ihre Show ist ein perfekt durchchoreographiertes, ziemlich bombastisches Multimedia-Spektakel, ein Update der legendären „Ike & Tina Turner Revue“. Nur eben als Ein-Frau-Musical. Der Abend beginnt mit „Get Back“ und dem wackelnden Hintern einer Tänzerin, gigantisch aufgeblasen auf Videoleinwänden. Als sich der Vorhang öffnet, senkt sich Tina Turner, ihren Hit „Steamy Windows“ singend, auf einem stählernen Gerüst, das einer gewaltigen hydraulischen Erektion gleicht, vom Himmel herab. Eine Säulenheilige der Sünde. Das zweigeschossige Bühnenbild erinnert an die Empfangshalle eines Grand Hotels oder den Begegnungsraum eines Luxusbordells. Auf der Galerie tanzen vier Tänzerinnen in goldenen Bikinis, darunter sind, gerahmt von der Showtreppe, zwei Backgroundsängerinnen und die siebenköpfige Band platziert. Der Abend ist von Anfang an mit Energie aufgeladen, und das Zentrum dieser Energie ist Tina Turner, die im glitzernden Paillettenkleidern und superenger Caprihose das Standmikrofon malträtiert, die Hüften kreisen lässt, nervös von einem Bühnenrand zum anderen tänzelt. Ihre Stimme röhrt, grummelt, keucht und seufzt. Sie ist stärker als der Säuselblues von „Typical Male“ oder „Private Dancer“. Und wenn die Sängerin sich bei ihren Tänzerinnen einreiht, um zu einem Gitarren- oder Percussionsolo ein paar Synchrontanzfiguren aus dem Ärmel zu schütteln, dann sieht das aus, als ob sie Unterricht erteilen würde. Mächtig viel Adrenalin wird ausgeschüttet, das Publikum ist enthusiasmiert. Im komplett bestuhlten Innenraum der Arena hält es zweieinviertel Stunden lang niemand auf seinem Sitz. „River Deep Mountain High“, ein Höhepunkt des Konzerts, wird mit hämmernden Klavierakkorden und pumpenden Bässen vom naiven Liedchen über eine Teenager-Liebe – „It gets stronger in every way / It gets higher day by day“ – zur kathedralartig hallenden Soul-Symphonie aufgeblasen. Ein Stück Überwältigungs-Pop aus der Fertigung des Produzenten Phil Spector, der Ike und Tina Turner mit seinem „Wall of Sound“ zum Durchbruch verholfen hatte. Wie damals die Ikettes marschieren die Tänzerinnen dazu im ironischen Stechschritt über die Bühne. Doch mehr noch als der Enthusiasmus der sechziger liegt der hedonistische Geist der achtziger Jahre über dem Konzert, das sich zur großen nostalgischen Inszenierung steigert. Dia-Projektionen zeigen Tina Turner, teilweise in Stonewashed Jeans, im Duett mit Mick Jagger, David Bowie und Eric Clapton oder begleitet von Phil Collins. Selbst die Pausenmusik stammt von U2, Michael Jackson und Peter Gabriel. „We Don’t Need Another Hero“, der von Mark Knopfler geschriebene Hit für den „Mad Max 3“–Soundtrack, wird als Trash-Klamotte reanimiert. Tina Turner trägt noch einmal die blonde Perücke, das Stirnband und ihr Kettenhemd mit den extrabreiten Schulterpolstern aus dem Film, räudiges Verbrechergesocks umschwirrt sie und die Leinwand zeigt Autoverfolgungsjagden und die filzigen Haarfransen von Mel Gibson. „We are the children / The last generation / Living under the fear“, menetekelt die Sängerin. Derlei Science Fiction wollte damals vor der atomaren Apokalypse warnen, war aber ästhetisch schon selber ein Weltuntergang. „Simply the Best“, ihr Vergötterrungs-Klassiker über einen Geliebten, fehlt natürlich auch nicht, und als Zugabe singt Tina Turner dann auf einem Kran, der über die Zuschauer schwenkt, den Song, der ihrer Geburtsstadt in Tennessee ein Denkmal setzt: „Nutbush City Limits“. „Tina, we love you. Dagmar and family“, steht auf einem Transparent, das ihr entgegenhalten wird. Simply the Best: In dieser Nacht stimmt das. (Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 28.01.2009)

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