Montag, 2. Juli 2007

Barbra - jederzeit wieder

Ich lasse an dieser Stelle die Worte des Spiegels sprechen und schwelge weiter verträumt in den Erinnerungen an einen wundervollen Abend, an dem der Wettergott uns gnädig war, an dem wir Spaß hatten wie schon lange nicht mehr, an dem wir grandios unterhalten wurden und an dem Katharina Witt direkt hinter mir an der Würstchenschlange stand :-)
SPIEGEL ONLINE - 01. Juli 2007, 13:38 URL: http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,491670,00.html

BARBRA STREISAND IN BERLIN

"Ich bin gleich bei dir, Schatz!"

Von Daniel Haas

Diven sind unnahbar, glamourös, schwierig? Falsch. Seit Barbra Streisands erstem Deutschland-Konzert gestern in Berlin steht fest: Eine Diva hat Humor und ist eine Mischung aus Kumpel und Göttin.

"Darf ich meine Schuhe ausziehen?", fragt sie gegen Ende des Abends, und natürlich ist die Frage rhetorisch. Sie darf alles: vom riesigen Teleprompter ablesen und übers deutsche Essen witzeln, schmachtend in metaphysische Weiten schauen und über Toleranz und Liebe dozieren. Ja, sie könnte auch ein Nickerchen auf dem Piano machen, wie sie einmal scherzhaft androht, und man würde andächtig ihren Schlaf bewachen. Denn Barbra Streisand ist die letzte große Diva des globalen Entertainments.

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Foto: REUTERS
Und wie muss so eine Diva sein? Unnahbar? Oder wenigstens distanziert? Berauschend schön? Über die Maßen virtuos? Die Antwort lautet, das wurde gestern, beim ersten Deutschlandkonzert der Künstlerin auf der Berliner Waldbühne, klar: Ja - und nein.

Streisand, 65, ist ein Entertainment-Dino mit Denver-Clan-Frisur, dessen große Zeit eigentlich Jahrzehnte zurückliegt. Sie tritt in Opernrobe auf und singt Songs, die vor 40 Jahren geschrieben wurden. Ihre Moderation erscheint wortgetreu auf einer gigantischen Texttafel, eine Sicherheitsvorkehrung, die seit ihrem Blackout bei einem Konzert im Jahre 1967 zum Programm gehört.

Ihr Sound hat sich kein bisschen verändert, es ist immer noch dieselbe Mischung aus Broadway-Heiterkeit und Film-Score-Pathos, mit der sie seit "Funny Girl" die Massen begeistert. Sie ist ihr eigener Mythos, das hässliche jüdische Entlein, dem die Mutter vom Showbiz abriet, sie sei nicht hübsch genug, und die heute auf 17 Filme, zwei Oscars, acht Grammys, neun Golden Globes und mehr als 60 Schallplatten zurückblickt.

In Berlin betritt sie pünktlich die Bühne, und schon ihr Erscheinen löst Standing Ovations aus. Sie singt Schmachtfetzen wie "People" und "Papa", den Überhit aus ihrem Oscar-prämierten Filmmusical "Yentl", und vom Yuppie bis zur Hausfrau bleibt kein Auge trocken. Sie schwärmt von den großen deutschen Künstlern und erwähnt vor allem Weill, Brecht, Lubitsch, Wilder, alles Emigranten, die vor den Nazis fliehen mussten. Und sagt kurz vorm Finale fast huldvoll:" Ich verstehe gar nicht, wieso ich erst jetzt gekommen bin. Danke, dass ihr solange gewartet habt."

Entfernte Bekannte

Das ist die Großkünstlerin, die eine Audienz gewährt, für die 15.000 Zuschauer keine Überraschung, sondern einfach selbstverständlich sind. Und dann ist da diese andere Erscheinung: eine in die Jahre gekommene Lady mit Lesebrille, die mit ihren vier juvenilen Begleitsängern übers Alter scherzt und ihr Hündchen auf die Bühne holt. Die, von frenetischem Applaus zur Zugabe bewegt, sagt: "Hey, ich hab schon meine Pantoffeln an." Und ihrem Mann, dem Hollywood-Veteran James Brolin, zuruft: "Ich bin gleich bei dir, Schatz!"


So begreift man: Der wahre, Nationen und Klassen, Geschlechter und Ethnien verbindende Star muss beides sein - unendlich fern wie ein Stern am Firmament und auf beiläufige Weise menschlich wie die Tante, die man zum Kaffee besucht. Dennoch macht sich die Diva mit niemandem gemein, weil sie eh allen gehört, und diese Mischung aus Souveränität und Verbindlichkeit demonstriert sie mit kleinen Gesten, beiläufigen Kommentaren.

Sie legt ihr Cape vorsichtig auf den Bühnenboden, sagt: "Ich tu das mal hier hin." Sie setzt die Lesebrille auf, erklärt: "Das ist jetzt ein Senioren-Moment." Sie liest Grußkarten von Fans vor und singt leicht gequält ein "Happy Birthday" für einen Verehrer, ganz so wie man das halt macht, ein "Happy Birthday" singen: pflichtbewusst, aber nicht gerade inspiriert. Sie zitiert eine Postkarte: "Liebe Barbra, bei deinem Konzert in Wien wollte ich ein Date mit dir. Jetzt bin ich in Berlin und gebe dir eine zweite Chance." "Verfolgst du mich etwa?", fragt sie kokett ins Publikum, um dann "J'espère" - das hoffe ich doch! - zu hauchen.

Profiliert statt operiert

Mit dieser Mischung aus Nahbarkeit und Glamour, Humor und Grandezza hat sie ihr Millionenpublikum erobert; sogar ihre Misserfolge sind heute eine Pointe wert. "Dieses Album war ein Flop", sagt sie über "Je m'appelle Barbra". "Eine Goldene Platte hab ich dennoch bekommen, es hat allerdings 42 Jahre gedauert." Wer wollte nicht so souverän mit Niederlagen umgehen?

Das war auch bekannt: Streisand ist verbissen, eine Kämpfernatur. "Sie beweist, dass man sich hocharbeiten kann, wenn man will", sagt Claudia Schulz, 54. "Und sie ist trotzdem normal geblieben", sekundiert Beate Ebel, 44. Zwei der vielen Fans, die gestern das bestätigt fanden, was seit jeher zum Profil der Sängerin gehört. Barbra, die Ausdauernde, die sich 1960 als Sängerin in einer New Yorker Schwulenbar durchschlägt und heute Clinton und Gore zu ihren Freunden zählt. Die in Armut aufwächst und später ein 25 Millionen Dollar teures Anwesen an Naturschützer verschenkt; die Anfang der Sechziger um jede kleine Rolle kämpfen muss und heute als erfolgreichste Sängerin aller Zeiten gilt.

Courage und Können gehören zu ihrem Image wie der Silberblick und das immer noch wunderbare, zwischen Jazz und Kunstlied changierende Timbre. Und dass sie sich ihre legendäre Nase nicht hat operieren lassen, schon allein dafür kann man sie verehren. "Shakira und Beyoncé in ihrem neuen Video: Man weiß gar nicht, wer wer ist", sagt die 27-jährige Isolde Schnaas. "Barbra aber nimmt sich so an, wie sie ist."

Auch das ist natürlich nur eine Projektion, aber aus diesen Träumen und Wünschen entsteht ja die Imago des Stars, das Bild der Diva. Barbra Streisand beehrte Deutschland und bestätigte das, was alle hofften: dass sie tatsächlich Humor und Würde, Eleganz und Lässigkeit verkörpert, ein Multitalent zwischen Musik und Film, Pop und Engagement.

Deshalb überraschte Barbra Streisand nicht, sie tat viel mehr: Sie hat uns alle verzaubert.


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